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Irre in Enns oder: Willkommen in der Pension Schöller!

Wem quasi alles Geld der Welt zur Verfügung steht, der will immer mehr und immer Neues. Das war schon Ende des 19. Jahrhunderts so, sonst gäbe es dieses Stück nicht. Und heute? Heute scheinen sich gerade in diesen Monaten die Möglichkeiten wieder zu verringern, aber das ist ein zu ernstes Thema für einen Artikel über dieses Sommertheater. Denn im Theater im Hof in Enns soll in erster Linie gelacht werden. Geklatscht. Gejubelt. Und zwar so richtig. Als Basis dienen Klassiker der Theaterliteratur, bearbeitet von Dramaturgin Iris Harter. Sie bildet gemeinsam mit dem Intendanten und Regisseur Christian Himmelbauer das Theater im Hof-Kernteam, das es seit 1981 gibt, früher in Mauthausen, seit 1996 in Enns. 2016 wurde dem Theater im Hof der „Große Bühnenkunstpreis des Landes OÖ“ für „Der varreckte Hof“ verliehen. Das Harter-Himmelbauer-Konzept sind Eigenfassungen, die sommerlich-leicht unterhalten und ein klein wenig Gesellschaftskritik anstupsen. In diesem Sommer transportiert über das Boulevard-Stück „Pension Schöller“ von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby. Michaela Ogris hat mit Iris Harter und Christian Himmelbauer vorab gesprochen - über das Theater als Insel der Erholung von der Realität und über  Verrücktheiten ganz allgemein.

OÖ Kultursommer: Christian Himmelbauer und Iris Harter, was erwartet das Publikum heuer in Enns?

Christian Himmelbauer:Iris hat vor einem Jahr zu mir gesagt, lies doch noch mal „Pension Schöller“ - so hat alles angefangen.

Iris Harter:Wir hatten schon öfter über „Boulevard“ gesprochen, aber dann doch nie das passende Stück für unseren Ennser Zusammenhang gefunden bzw. hatten und haben wir beide Respekt vor diesem Genre. Boulevard ist in gewisser Weise die Königsdisziplin der Komödie. Nachdem wir „Pension Schöller“ gemeinsam gelesen hatten, war uns aber klar: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt – wir wollen uns in diesen Tür-auf-Tür-zu-Wahnsinn begeben und ihn lustvoll auf die Spitze treiben. In diesem Sinne erwartet das Publikum ein Türen-Spektakel für 5 Schauspieler:innen in dreizehn Rollen und ein großartiger, frisch aufgebügelter Klassiker.

 

OÖ Kultursommer: Warum ist die Wahl auf Pension Schöller gefallen? Worin sehen Sie die aktuellen Bezüge des Stoffs?

Iris Harter: Ich glaube, „Pension Schöller“ ist vor allem auf einer Metaebene aktuell. Dass wir unsere Gegenwart und unsere jeweiligen Gegenüber für ver- oder entrückt halten und wir uns von der Welt und dem „Du“ entfremden ist ja ein Kontinuum und wiederkehrender Topos der Moderne und wahrscheinlich unter anderen Vorzeichen auch der Postmoderne – insofern ist die „Pension“ natürlich auch thematisch nahe an uns dran. Aber die wirkliche Aktualität sehe ich ganz tief in unser aller Bäuche und Eingeweide: Wir wollen lachen, wir wollen lachen dürfen und wir haben es uns nach den letzten Jahren sowas von verdient zu lachen. Wenn wir inmitten der momentanen Situation in einem Zusammenhang sein dürfen, wo es erlaubt, nein erwünscht ist, zu lachen, dann ist das wie ein kleine Insel. Wie Massage oder Psychotherapie. Die Krise ist die Zeit der Komödie. Das kennen wir aus der Theatergeschichte und das kommt nicht von ungefähr. Klingt irgendwie banal, ist es aber bei genauerer Betrachtung gar nicht: Was im Moment wirklich mit unser aller Leben zu tun hat, ist das Genre und nicht primär der Stoff.

 

OÖ Kultursommer: Die Gegenwart ist derzeit hart genug. Vor allem deshalb braucht das Publikum eine gute Ablenkung in Form von Kultur?

Christian Himmelbauer: Ja, das Publikum braucht Theater, es braucht Unterhaltung. Und Unterhaltung kann manchmal sehr anspruchsvoll und vielschichtig und tiefgründig sein, manchmal weniger. Und alles kann nebeneinander, hintereinander, miteinander exisitieren und produziert und konsumiert werden. Das Publikum, wir alle, wir brauchen Geschichten. Geschichten, die uns zum Nachdenken, zum Staunen, zum Weinen und zum Lachen bringen. Und es gab ja in den letzten zweieinhalb Jahren unbestritten auch sehr vieles, das nicht zum Lachen war. Also ja: Ich glaube, das Publikum kann diesen Abend im Moment ganz gut brauchen und sollte in die „Pension Schöller“ kommen. Da kann man seinen Verstand nämlich getrost an der Rezeption abgeben. Sehr zu empfehlen!

Christian Himmelbauer und Iris Harter (c) Theater im Hof Enns

Christian Himmelbauer und Iris Harter im Interview

 

Darsteller (c) Theater im Hof Enns

 

Bühne (c) Theater im Hof Enns

OÖ Kultursommer: Welche Klassiker der Pop-Musik sind heuer zu hören? Wird wieder auf der Bühne live Musik gemacht?

Christian Himmelbauer:Musik spielt dieses Mal eine untergeordnetere Rolle als in den letzten Jahren. Das bringen Genre und Stück so mit sich. Ich hatte auch Lust, es bei dieser Vorlage mal wieder anders und mehr auf das Schauspiel fokussiert anzugehen. Anscheinend hat die Sache aber mittlerweile eine gewisse Eigendynamik entwickelt: Die Musik hat sich nämlich gleichsam selbstständig gemacht und sich dann irgendwie doch wieder ein wenig reingedrängt in diese Inszenierung, obwohl ich das so wirklich nicht geplant hatte. Was will man machen. Mittlerweile bin ich aber auch recht froh, dass es so gekommen ist.

 

OÖ Kultursommer: Irgendwie sind wir doch alle verrückt. Wann empfinden Sie sich als nicht ganz normal? Und was war das verrückteste, das Sie je getan haben?

Christian Himmelbauer:Ich wäre ja wirklich verrückt, wenn ich das hier verraten würde. Moment, ich muss überlegen … Ich bin in Lingenau im Bregenzerwald von einer 106 Meter hohen Brücke gesprungen. Okay, mit einem Bungee-Seil um meine Beine. Gilt das trotzdem? 2 Wochen vor der Premiere empfinde ich mich als nicht ganz normal. Also jetzt gerade. Aaaaaaah!

Iris Harter:Kann ich einen Telefonjoker anrufen? Was für eine Frage. Keine Ahnung … Ich habe diesen Beruf gewählt? Und – fun fact –  ich mache zusätzlich eine Ausbildung zur Psychotherapeutin. Ich fühle mich immer und nie ganz normal. Eh wie alle wahrscheinlich?

 

OÖ Kultursommer: Mit unendlich viel Geld - würden Sie sich welchen Wahnsinn, welche Unsinnigkeit leisten?

Iris Harter:Ganz ehrlich - unendlich viel Geld kann ich, glaub ich, nicht denken. Und ich hab keine Ahnung, wie ich leben würde, wenn Geld gar keine Rolle spielte. Vielleicht wäre mir fad. Ich würde das Geld wahrscheinlich nicht aus Altruismus, sondern aus Langeweile verschenken. Aber ein bisschen Luxus ist natürlich was Schönes. Bloß, wo ist der Reiz, wenn das nichts Besonders ist? Nein, Scherz. Ich würde mir natürlich eine Insel kaufen und mich selbst zum Oberhaupt krönen.

 

Pension Schöller" im Theater im Hof in Enns - Von 8. Juli bis 6. August
Nähere Infos und Tickets gibt es hier:http://www.theater-im-hof.at

 

Datum: 29. Juni 2022 / Text: Michaela Ogris-Grininger / Fotos: Theater im Hof Enns