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Kulturfabrik Helfenberg
„Wie ist der Name unseres Stücks, und was werde ich spielen?“
...fragt der eitle Star der Theatergruppe Ned Alleyn den jungen Will Shakespeare im Londoner Rose Theater anno 1593. Ach, nichts weiter, nur die wohl berühmteste Liebesgeschichte der Welt „Romeo und Julia“, wofür der geniale Dichter noch fiebernd nach einem geeigneten Mercutio sucht – und soeben gefunden hat.
„Wie ist der Name des Stücks und was werden Sie spielen?“
... fragte ich also Brigitta Waschnig am Weg nach Hause in Oberösterreich, wo das Gespräch an einem herrlichen Sommerabend anno 2021 fortgeführt wird. Die Regisseurin lacht auf: „Shakespeare in Love! - What else? Aber als Schauspielerin werden Sie mich nicht auf der Bühne sehen“, schränkt die Regisseurin der diesjährigen Sommerproduktion des Theaters in der Kulturfabrik Helfenberg ein: „Das mögen andere Kollegen machen, ich möchte mich ausschließlich auf ein Gebiet konzentrieren, das reicht mir völlig.“ Die gebürtige Kärntnerin feiert mit der Bühnenfassung der Oscar-übersäten Filmkomödie von Lee Hall aus dem Jahr 2014 ihr zehnjähriges persönliches Jubiläum im künstlerischen Leitungsteam des Theaters im oberen Mühlviertel. Seit 2011 ist sie Teil des Regietrios mit John F. Kutil und Henry Mason, das ein Jahr später mit dem OÖ. Landeskulturpreis für Bühnenkunst ausgezeichnet wurde. Es ist Brigitta Waschnigs schon dritte Regiearbeit in Helfenberg, die auf einer Filmvorlage beruht: „Ja, ich habe wohl ein Faible dafür“, erinnert sie sich augenzwinkernd an die vergangenen Erfolge in der Kulturfabrik.
Die Umstände sind heuer freilich ganz speziell: Nach der endgültigen Absage im vorigen Sommer wurde die Komödie „Shakespeare in Love“ nach dem Drehbuch von Marc Norman und Tom Stoppard in den heurigen Sommer verschoben. Dazwischen lag eine folgenschwere Entscheidung: Um den unsicheren Pandemie-Verordnungs-Rahmenbedingungen ein Schnippchen zu schlagen, entschied man, die Produktion nicht wie gewohnt in der Färberei der ehemaligen Textilfabrik zu realisieren, sondern ging ein Risiko der anderen Art ein: Es wurde eine große Open Air-Bühne vor den Mauern der Burg Piberstein errichtet. Unter freiem Himmel ist man also vom 28. Juli bis 15. August an 14 Vorstellungstagen unter Einhaltung der „3-G-Regelung“ nur noch dem Wettergott ausgeliefert....
Das Schauspielensemble blieb erfreulicherweise großteils gleich, schließlich wurde schon im Vorjahr die freie Zeit für Vorproben genutzt: „Mein absoluter Traumcast“, schwärmt die Regisseurin, die schon lange Zeit mit diesem Stück schwanger ging, das 2017 in Wien seine deutschsprachige Erstaufführung erfuhr. „Ich konnte für diese Produktion die Idealbesetzung aussuchen, das ist purer Luxus! Ich freue mich sehr auf die Endproben, die ganz intensiv in Helfenberg stattfinden, wo alle Schauspielerinnen und Schauspieler dann auch zusammen wohnen werden. Ein so intensives Zusammensein auf längere Zeit klappt nur, wenn es auf der menschlichen Ebene auch gut passt. Wir sind ein tolles Team aus absoluten Profis und einer Hand voll routinierter Amateure.“
Und einem Hund, möchte man ergänzen, der schon einmal Bühnenluft schnuppern durfte, also sozusagen ein alter Hase ist. Das Publikum darf sich jedenfalls auf Okan Cömert als Will Shakespeare, Soffi Povo als Viola, John F. Kutil als Lord Wessex oder Wenzel Brücher als Sam freuen. Vier Neuzugänge im 16-köpfigen Ensemble, das in nicht weniger als 40 Rollen schlüpft, feiern zugleich ihr Debüt im Theater in der Kulturfabrik: Daniel Große Boymann als besagter Geck Ned Alleyn alias Mercutio, Lukas David Schmidt als Kit Marlowe, Petra Strasser als Königin und Amme und Georg Schubert als Fennyman verkörpern für Brigitta Waschnig perfekt den Typus des Singschauspielers, der in der Fassung von „Shakespeare in Love“ unerlässlich ist. Sie sind nämlich Schauspieler, Sänger und Musiker in einem. Das Bühnenstück mit Musik von Paddy Cunneen erfordert schließlich höchst wandelbare Schauspielerinnen und Schauspieler, die in Waschnigs Regie schon mal als Chor auftreten, als Musikerinnen und Musiker fungieren oder Musiknummern schmettern. Und last but not least ist der musikalische Leiter der Produktion, Christoph Scheeben, selbst Pianist, Querflötist und Sänger. Einer rasanten Verwechslungs-Liebesgeschichte rund um den gar nicht very british Dichter, einer lästigen Schreibblockade, seiner großen Flamme, zweier rivalisierender Theaterhäuser und die fiktive Genese der berühmten Liebesgeschichte aus seiner Feder als Theater im Theater sind also keine Grenzen gesetzt.
Datum: 29. Juni 2021 / Text: Isabel Biederleitner / Okan Coemert - Brigitta Waschnig - Soffi Povo, Foto: Reinhard Winkler; Porträt Brigitta Waschnig, Foto: Reinhard Winkler; OPEN AIR Burg Piberstein, Foto: Brigitta Waschnig