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Willkommen im digitalen Dschungel!
Auch heuer sorgte das Ars Electronica Festival von 8. bis 12. September 2021 für eine reichhaltige Fülle an Ausstellungen und Veranstaltungen. Diesmal wurde der „New Digital Deal“ verhandelt.
Zum Besuch in ihre Gärten lud die Ars Electronica 2021. Und doch wähnt man sich als Besucher*in eher in einem Dschungel, so vielseitig und reichhaltig war auch heuer Programm und Angebot. Der „Kepler´s Garden“ am Campus der JKU in Linz widmete sich auf mehreren Ausstellungsflächen der diesjährigen Themenausstellung „A New Digital Deal“. Dann waren da noch weitere 86 Gärten weltweit. Die hybrid stattfindende Ars Electronica ermöglichte so den Besuch von Projekten, Symposien und Workshops von Indonesien über Kairo und Riga bis Buenos Aires.
Dazu gab es mehrere Ausstellungsorte in Linz: Die CyberArts-Ausstellung präsentierte ausgewählte Projekte von Preisträger*innen des Prix Ars Electronica. Die Linzer Kunstuni bespielte ihre Standorte in Kooperation mit der Kunstuni Zürich mit künstlerischen Projekten, die „Loops of Wisdom“ verhandelten. Auch das Atelier im Salzamt, die Energie AG und die Stadtwerkstatt waren Teil des Festivals. Und natürlich das Ars Electronica Center selbst mit seinen Ausstellungsräumen und dem Deep Space.
Und damit war es noch lange nicht genug: Zahlreiche Konferenzen, Symposien und Veranstaltungen boten Raum für Austausch, Lernen und Inspiration. Sogar eine eigene „Festival University“ öffnete erstmals ihre Türen für 100 junge Menschen aus aller Welt. Dazu gab es einen bunten Reigen an Konzerten und Performances. Ach ja: Ein Animation-Festival, eine Freiwilligenmesse und einen Bauernmarkt fanden auch statt.
Mut zur Lücke
Das alles zu erfassen mag schon für jene herausfordernd sein, die extra für diese vier Tage für einen Festivalbesuch nach Linz kommen. Für jene, die nebenbei noch ihren (Berufs-)Alltag schaukeln müssen, wird’s beinahe unmöglich. Was also tun, angesichts der Fülle?
Tipp eins: Mit einem Besuch der „Kepler´s Garden“ an der JKU starten. Und dort - wenn irgendwie möglich – an einer Führung teilnehmen. So erhält man einen guten Überblick über die Projekte und kann später da und dort zurückkehren, um sich näher auf die Spannendsten einzulassen.
Tipp zwei: Einfach aufs Gefühl hören. Durch Ausstellungen schlendern, da und dort hängen bleiben.
Tipp drei: Ganz viel Mut zur Lücke haben!
Pilze sammeln
Es kann also losgehen. Im Bibliotheksgebäude der JKU zeigen Wissenschafter*innen, was technisch schon (bald) alles möglich sein wird: Das LIT (Linz Institut of Technology) präsentiert einen virtuellen Gerichtssaal, der Lokalaugenscheine zu Tatorten oder für Betriebsanlagengenehmigungen über VR-Brillen ermöglicht. Andere Projekte gehen spielerisch der Frage nach, was es braucht, damit Menschen künstlichen Intelligenzen vertrauen. Ein kleiner Wald lädt zum Pilze sammeln ein. Verlässt man sich auf die Empfehlung der KI oder auf seine eigene Intuition bei der Entscheidung, ob der jeweilige Pilz genießbar oder giftig ist? Der Studiengang „Fashion & Technology“ der Kunst-Uni zeigt seine Experimente, die eine umweltschonende Textilfärbung mit Bakterien ermöglichen sollen.
Ein Ozean der Tränen
Gleich nebenan im Uni-Center kann man in die eindrückliche Licht- und Soundinstallation „Lumen“ eintauchen, spielerisch mit Robotern interagieren und das wunderschöne Projekt „How to Make an Ocean“ betrachten. Mit speziell angefertigten Löffeln hat die Künstlerin Kasia Molga nach dem Tod mehrerer ihr nahestehender Menschen ihre Tränen gesammelt. Diese hat sie danach mit Algen versetzt und ihnen so einen Lebensraum verschafft.
Schön und eindrücklich zugleich ist das auf zahlreichen Bildschirmen präsentierte Projekt „Oceans in Transformation“. Das mit dem STARTS-Preis ausgezeichnete Projekt verknüpft Daten über Ozeane über unterschiedlichste Quellen hinweg und sorgt so für Überblick und Zusammenhänge über die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten.
Gespenstische Erkenntnisse
Besonders nachdenklich stimmt das Projekt „Made to Measure“ der Künstlergruppe Laokon. Diese hat aufgrund der Google-Anfragen einer Person eine Biografie konstruiert, diese von einer Schauspielerin nachstellen lassen und damit jene junge Frau konfrontiert, die diese Suchanfragen getätigt hat. Das Ergebnis: Gespenstisch. Man kann die dabei entstandene Dokumentation übrigens weiterhin übers Internet ansehen. Und erfährt dabei, wie sein Verhalten während des Betrachtens von einer KI interpretiert wird. Das ist noch gespenstischer, vor allem, wenn man darüber nachdenkt, dass das möglicherweise bald für die Beurteilung einer Person zum Beispiel genutzt werden wird, beispielsweise bei Stellenbewerbungen.
Ruhe finden
Wer nun etwas Abstand braucht, um die vielen Eindrücke zu verarbeiten, findet im Uni-Park Ruhe und kann dabei Geräuschen von Landschaften aus aller Welt lauschen, wie Gletscher oder Regenwald. Vielleicht begegnet einem dabei auch der Roboterhund Spot, der mit den Menschen interagiert. Da sieht man nicht nur Kinder hüpfen und winken.
Mit der Straßenbahn geht’s zurück in die Stadt, für einen Spaziergang durch Ausstellungen in der Kunst-Uni und im OK. Danach lädt die Roboexotica auf einen von intelligenten Robotern gemixten Drink in den Kunstraum DH5 in der Herrenstraße.
Menschen entscheiden!
Im Nachgang ist dann endlich Zeit für Gedanken über das heurige Festival-Thema „A New Digital Deal“. Es geht um eine Neuordnung unserer - auch durch die Digitalisierung - aus den Fugen geratenen Welt. Das Festival zeigt die Gefahren. ES zeigt aber auch die Chancen und Möglichkeiten, die sich daraus in Wissenschaft, Wirtschaft und im Alltag ergeben. Was wollen wir nutzen? Was verhindern? Die Entscheidung liegt bei uns Menschen.
Links und Infos
Ars Electronica Festival “A New Digital Deal”, 8. bis 12. September 2021 am Campus der JKU Linz und rund 120 Standorten weltweit
Festivalrück- und -einblicke: ars.electronica.art/newdigitaldeal/de/
Projekt “Made to Measure”: madetomeasure.online/de/
Datum: 15. September 2021 / Text & Fotos: Barbara Jany